Dick und Schwanger – ein Interview mit Yogalehrerin Sophie von Sophie‘s Safe Space

Sophie ist 32 Jahre alt, Yogalehrerin und Gründerin von Sophie`s Safe Space. Sie bietet online Yoga-Kurse spezifisch für dick_fette, curvy, plusize Menschen in großen (und natürlich allen anderen) Körpern an – und trägt mit ihrer großartigen Arbeit zu mehr Inklusion für alle Körpertypen bei. Wir sind schon lange große Fans und freuen uns deswegen ganz besonders, dass sie ihr Angebot gerade erweitert hat: neuerdings könnt ihr nämlich auch Schwangerschaftsyoga für dick_fette Frauen bei Sophie machen – und ganz bald auch Yoga für die Zeit nach einer Schwangerschaft. Yeah! Wir wollten mehr über die neuen Kurse, Sophies Motivation für ihr körper-inklusives Angebot und ihre eigene Schwangerschaft erfahren. Darum hat Lea mit Sophie ein Gespräch für unser Wochenbett-Magazin geführt.

Vorab: wir verwenden im Interview keine blumigen Umschreibungen, sondern sprechen vom Dicksein. Und Fettsein. Es geht um Mehrgewicht, große Körper und Plussize. Ganz bewusst, denn wir wollen die (Ab)Wertung aus diesen Begriffen nehmen und sie wieder als ganz normale Körperbeschreibungen etablieren. So wie groß und klein, blond und rothaarig. Dafür finden wir es wichtig, dass dick_fette Menschen diese Begriffe wieder selbst etablieren und so normalisieren.

 

Liebe Sophie, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns übers dick_fett-Sein, über deine Schwangerschaft und deine Arbeit zu sprechen. Erzähl doch mal, wie bist du auf die Idee zu Sophie´s Safe Space gekommen?

Ich war schon immer dick, wirklich lange nicht im Einklang mit meinem Körper und Diäten waren Teil meines Lebens. Und so absurd das aus heutiger Perspektive klingt: ich habe mit Anfang 20 mit Yoga angefangen, weil ich (mal wieder) abnehmen wollte. Und dann ist etwas wirklich Verrücktes passiert, denn Yoga hat in mir einen ziemlich intensiven Transformationsprozess ausgelöst: ich konnte mich durch die Yogapraxis auf wirklich neue Art mit Körperakzeptanz, Wahrnehmung und Selbstliebe befassen und mich und meinen Körper nochmal ganz neu kennen lernen. Am Anfang habe ich Yoga so richtig mit Ehrgeiz betrieben, ich wollte schwitzen und mich anstrengen und es war nur dann eine gute Stunde, wenn ich danach super fertig war. Aber über die Zeit bin ich sanfter und liebevoller mit mir geworden. Konnte den Druck abschütteln und Yoga ohne Ziel machen. Und irgendwann habe ich gedacht, dass das vielleicht auch anderen Menschen gut tun könnte: eine Yogaklasse zu besuchen, in der das Leistungsprinzip nicht gilt, in der es keinen Druck und kein Ziel gibt. Sondern in der ich mich fragen kann: wer bin ich eigentlich gerade? Wo stehe ich und wie geht es mir heute? Das ist mir wichtig.

Und begonnen hat all das in einem Yoga-Retreat, das ich als Teilnehmerin besucht habe. Da hatte ich eine großartige Yogalehrerin, die mir sehr sympathisch war und mich zum allerersten Mal überhaupt auf den Gedanken gebracht hat, dass auch ich das machen könnte – Yoga unterrichten. Das dann wirklich umzusetzen hat tatsächlich nochmal drei Jahre gedauert, so fest waren meine Vorstellungen davon, wie Körper von Menschen aussehen dürfen, die Bewegung anleiten. Darum wollte ich einen Raum schaffen, der mir selbst immer gefehlt hat: einen Safe Space, in dem ich Bewegung ohne Leistungsdruck und ohne Ziel ausüben konnte. In dem ich selbst entscheiden kann, was ich im Moment der Stunde brauche und was nicht.

 

Wir sprechen heute nicht nur miteinander, weil du Yoga unterrichtest und dies neuerdings auch für Schwangere tust, sondern auch, weil du selbst gerade schwanger bist. Herzlichen Glückwunsch! Mal so ganz allgemein gefragt: wie findest du es, als dicke Frau schwanger zu sein?

Ich will sehr ehrlich sein: es ist ok, mehr aber auch nicht. Es ist für mich eine krasse körperliche und mentale Erfahrung, aber ich glaube nicht, dass es so richtig mein Ding ist. Warum? Weil es für mich eben nicht dieser strahlende Zustand ist, in dem ich aufgehe und der meinem Leben plötzlich einen Sinn gibt. Ich fühle auch noch nicht diese unendliche Liebe für mein ungeborenes Kind– null. Das ist die ehrliche Antwort auf diese Frage. Und ich finde es wichtig, dass auch solche Erzählungen von Schwangerschaft öffentlich sind, denn ich glaube, dass es insgeheim einigen Frauen so geht.

Was ich in diesem Zusammenhang aber wirklich krass finde ist, wie viel Shame in der Mütter-Welt da draußen ist. Ich dachte immer, dass Dicksein schon heftig und mit vielen ungefragten Ratschlägen, Erwartungen und Bewertungen verbunden ist ist. Aber schwanger sein – oder dick UND schwanger sein – ist wirklich der Wahnsinn. Da wird viel geshamed und das finde ich richtig wow. Darum hier an alle, die das Lesen: alle Gefühle dürfen da sein, es ist total normal nicht nur Happiness zu fühlen.

 

Das ist auch die Essenz von the weeks – „alles ist ok.“ – und ich selbst fand es auch in meiner Schwangerschaft krass, dass es gar nicht so viel um meinen dicken Körper ging, sondern auch echt viel um meine (nicht immer nur positiven) Gefühle und Erwartungen. Vielleicht bin ich deswegen auch so naiv ins Wochenbett gestartet, weil das gesellschaftliche Narrativ von Kinderkriegen einfach durchweg positiv ist, da ist nur wenig Raum für Angst, Wehmut, Irritation und Traurigkeit. Ich finde es verrückt, wie wenig darüber gesprochen wird, dass es diese ganze Bandbreite von Gefühlen gibt.

Trotzdem ist die Schwangerschaft auch auf den Körper bezogen eine Zeit, in der viel gemessen, gewogen und bewertet wird. Das kann für dick_fette Frauen besonders triggernd sein und der Umgang damit scheint sehr leider stark von den Ärzt*innen und Hebammen abhängig zu sein. Hast du selbst schon (Gewichts-)Diskriminierung in deiner Schwangerschaft erlebt?

Ich bin zum Glück gut aufgestellt, habe eine Gynäkolog*in, die zumindest versucht, gut mit dem Thema umzugehen und bin auch parallel in therapeutischer Behandlung, unter anderem wegen Schwangerschaftsdepressionen. Und ich habe mir eine Hebamme gesucht, die selbst dick ist, das war mir wichtig. Die kennt sich aus und stellt keine Fragen, die nicht in meine Schwangerschaft gehören. Und wenn ich ganz ehrlich bin, war der einzige Mensch, der mich bisher richtig ernsthaft diskriminiert hat, ich selbst. Ich habe vieles vorher unpacked, versucht, fettfeindliche Körperbilder aus mir herauszuziehen – und hatte in der dieser Schwangerschaft echt schon einige Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob ich wieder ganz am Anfang stehe mit meinem Blick auf mich selbst. Ich versuche, die von mir immer beschworene body kindness zu praktizieren, aber das klappt wirklich nicht immer, oft ist es ein Hangeln von Woche zu Woche.

 

Danke für deine Ehrlichkeit, Sophie. Ich finde es wirklich wahnsinnig wichtig, dass du so offen darüber sprichst. Eine Schwangerschaft ist – völlig unabhängig vom Gewicht – eine Grenzerfahrung und dass nicht alle Schwangeren permanent schreiend im Kreis rennen ist eigentlich ein kleines Wunder. Ich selbst kann mich aus meiner Schwangerschaft noch gut an die Angst davor erinnern, dass mein Körper das nicht schafft.

Ja, uns das ist doch normal! Dick_fette Menschen haben doch auch unschwanger ständig Angst, dass ihr Körper nicht genug leistet, zu groß ist, irgendwas nicht kann. Wie normal ist es also, wenn diese Gefühle auch – vielleicht sogar noch stärker – in der Schwangerschaft auftreten. Denn das ist ja eine Zeit, die sowieso schon so aufgeladen ist. Da kann Yoga auch helfen: wieder ins Vertrauen mit dem eigenen Körper zu kommen und zu merken, dass der gar nichts können muss und trotzdem richtig viel kann.

 

Ja! Ich habe für mich gemerkt, dass es mir immer zusehends schlechter ging, wenn ich mich zu bewertet gefühlt habe. Und konnte mir mit kleinen Gesten mein Gefühl der Selbstwirksamkeit zurückholen. Eine dieser Gesten war für mich das Wiegen, den dieses öffentliche Wiegen in der Praxis war für mich ein riesiger Trigger. Darum habe ich irgendwann in der Schwangerschaft für mich entschieden, dass ich mich zu Hause selbst wiegen will. Und meine Hebamme hat komplett auf Gewichtsinfos von mir verzichtet. Warum ich das erzähle? Weil ich nochmal klar sagen will, dass nichts in diesem System Pflicht ist. Ihr müsst euch nicht wiegen (lassen) und auch sonst seid ihr den Untersuchungen nicht ausgeliefert.

Aber nochmal zurück zum Yoga: du hast gerade ein digitales Yoga-Angebot für dick_fette Schwangere Menschen gelauncht und ich könnte nicht mehr aus dem Häuschen sein. Ich finde es richtig wichtig und glaube, dass das wirklich wichtig ist. Wie bist du darauf gekommen?

Bei mir entstehen die meisten Sachen so: ich suche nach etwas, finde es nicht, frage mich, warum es das noch nicht gibt, und mache es dann einfach selbst. Und das war hier auch so: ich habe nach Schwangerenyoga gesucht und vor allem Videos gefunden von Menschen, die auch in der fortgeschrittenen Schwangerschaft noch sehr flexibel sind. Aber das bin ich nicht – und das sind auch viele schlankere Schwangere nicht. Darum habe ich die Ausbildung zur Pre- und Postnatal Yogalehrerin begonnen: Und zack: es gibt jetzt prenatales Plussize-Yoga. Verrückt, oder? Und das ganze natürlich ohne Abnehm-Ziel und irgendeinen Druck. Sondern einfach als sanftes Bewegungsangebot, das auch in der dann irgendwann auch nach der Schwangerschaft funktioniert. Und ich freue mich, wenn das vielen Frauen da draußen helfen kann, auch in der Schwangerschaft einen Safe Space für sich und ihren Körper zu haben.

Vielen Dank für das offene Gespräch, Sophie!

 

Wenn ihr Prenatal-Yoga und bald auch Postnatal-Yoga bei Sophie machen wollt, geht das richtig gut hier. Und auch auf Eversports und YouTube kannst du Sophie finden.

* Fotocredit: Angela Sisto (IG: @angela_sisto_) 

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